Petra Schiller:Impuls zur Synodalversammlung 16.09.2023 in Horhausen
Neulich las ich im Netz folgenden tollen Satz: "Die Welt braucht keine Verdoppelung ihrer Hoffnungslosigkeit durch Religion; sie braucht und sucht das Gegengewicht, die Sprengkraft anschaulich gelebter Hoffnung." (Zitat aus: Erzdiözese München und Freising, Kirche geht auch anders – Synodentexte für heute)
Wir leben in einer Zeit des radikalen Wandels.
Umbrüche rufen starke Gefühle hervor. Unsicherheit und latente Ängste verbreiten sich schleichend und sind natürlich durchaus verständlich, geben aber keine Antwort auf die mächtigen Herausforderungen. Wer Furcht hat, schließt sich ein, grenzt sich ab, zieht sich zurück. Wer verängstigt ist, baut Mauern und nicht zuletzt können Ängste entsolidarisieren. Soziologen sprechen sogar von einer Milieuverengung in den christlichen Gemeinden.
Man kann aber auch fragen: Sind wir zu bürgerlich geworden, zu spießig, zu bequem? Haben wir nicht unter allzu viel Furchtsamkeit und Routine im Tagesgeschäft den Enthusiasmus und das Feuer in unseren Herzen eingeschläfert?
Kürzlich fand ich ein Produkt im Internet, das mich unwillkürlich an die Stimmung in manchen Gemeinden und Gremien denken ließ. Ein Schild für die Türklinke, wie man es aus Hotels kennt. Das Schild ist rot und mit dem Hinweis: "BITTE NICHT STÖREN!" versehen. Was für ein verlockender Gedanke. Wir hängen einfach das Schild raus, alle ungewollten Probleme bleiben außen vor, oder werden zumindest noch eine Zeit lang beiseitegeschoben. Wir genießen die Ruhe, pröseln zufrieden weiter wie bisher, halten die Füße still und sitzen das Ganze einfach aus.
Was für eine Wohltat - für den Work-Flow und für die Nerven aller Beteiligten.
Aber das soll nicht unser Weg sein – wir wollen Menschen und Abläufe stören, uns gegenseitig wachrütteln und unbequem, aber hoffnungsfroh in unserem Pastoralen Raum etwas bewirken, das uns allen schlussendlich zum Heil gereicht.
Wir können uns nicht verbarrikadieren und warten, bis die Menschen kommen. Der Lebensraum der Menschen ist der Handlungsraum der Kirche. Was sie betrifft, muss auch die Kirche betroffen machen. "Geht an die Ränder!", sagt uns Papst Franziskus. Geht dorthin, wo die Menschen leben, wo sie Hilfe und Zuspruch brauchen.
Sind wir bereit, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und Zeugen jener mächtigen Hoffnung zu sein, einer Dynamik, die den ungleich größeren Horizont Gottes ins Spiel springt und uns frei macht? Wie ernst nehmen wir die biblischen Traditionen, die das "Anfangen" betonen, den Aufbruch in neues, unbekanntes Land, den befreienden Exodus, die Auferweckung und die Umkehr?
Dazu gehört schon eine gewisse "Verrücktheit", ja der Mut, geltende Maßstäbe zu hinterfragen, die Perspektive zu "verrücken" und beim Grenzen überschreiten auch mal anzuecken.
Doch lesen wir nicht in der Schrift bei Jesaja: "Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott! (…) er selbst wird kommen und euch erretten." und bei Timotheus: "Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit."
Darum lassen sie uns nach den Zeichen der Zeit forschen und sie im Licht des Evangeliums deuten
Petra Schiller, Vorsitzende Pastoraler Rat Neuwied, im September 2023